Das Semester neigt sich dem Ende zu und so hatte ich endlich mal wieder etwas mehr Zeit, um einen guten Roman zu lesen.
Nach einer nicht näher erklärten nukleare Katastrophe ist die Erdatmosphäre mit Giftmüll verseucht, wodurch ein Großteil der Menschheit unfruchtbar geworden ist. Um den Fortbestand der Spezies sicherzustellen werden die wenigen verbliebenden gebärfähigen Frauen, die sogenannten „Mägde“, wie Sexsklavinnen behandelt. In dem dystopischen Roman „The Handmaid’s Tale“ von Margaret Atwood wird der triste Alltag von Desfred beschrieben, die in Bangor (Maine) unter einem fundamentalchristlichen Regime ihr freudloses Dasein als Gebärmaschine fristet. Die Gesellschaft dieses fiktiven Staates mit dem Namen „Gilead“ ist streng hierarchisch gegliedert und während der Status der Männer durch militärische Uniformen ausgedrückt wird, erkennt man die Stellung der Frauen anhand der Farbe ihrer Kleidung. Die gebärfähigen Mägde tragen allesamt tiefrote, lange Röcke in Verbindung mit einer ausufernden weißen Kopfbedeckung, die gleichzeitig stark die Sicht einschränkt und quasi wie Scheuklappen funktioniert.
Schon an ihrem Namen lässt sich die entmenschlichende Behandlung der Frauen erkennen. Die besitzanzeigende Vorsilbe „Des-„ wird mit dem Namen des Hausherren „Fred“ kombiniert, der die Magd schwängern soll. Im englischen Original heißt die Hauptperson dementsprechend „Offred“.
Die Geschichte wird aus der Erzählperspektive dieser Desfred bzw. Offred erzählt und zeichnet sich durch häufige Rückblicke aus. Die Hauptperson flieht aus ihrem eintönigen Alltag in Tagträume, flüchtet sich in Gedankenspiele und wird von bedrückenden Erinnerungen heimgesucht. Hier werden der Erzählstil mit der mentalen Belastung der Hauptperson in Verbindung gebracht, die sich auch noch für ihre unstrukturierte Erzählweise entschuldigt. „I’m sorry there is so much pain in this story. I’m sorry it’s in fragments, like a body caught in crossfire or pulled apart by force.” (S. 267)
Desfred und ihr Freund Luke hatten eine gemeinsame Tochter, als sich die us-amerikanische Gesellschaft langsam hin zu einem unterdrückerischen Unrechtsregime zu verwandeln begann. Schließlich fällt der Entschluss nach Canada zu emigrieren, doch an der Grenze werden die drei aufgehalten und auseinandergerissen. Was mit Freund und Tochter passiert, erfahren wir im Laufe des Romans nicht. Desfred aber wird in das „Rote Zentrum“ verfrachtet, einer Umerziehungsanstalt für gebärfähige Frauen. Dort wird sie zur Magd ausgebildet, bevor sie in den Haushalt des Commanders Fred entsendet wird.
Dort leben neben dem Hausherrn selbst noch seine Ehefrau Serena Joy, die zwei Gehilfinnen (Marthas genannt) Cora und Rita, sowie der „Stalljunge“ Nick, der sich um das Auto und den Garten kümmert. Im Haushalt des Commanders geschehen jedoch auch unerwartete Dinge. So wird Desfred immer wieder in private Begegnungen mit ihm verwickelt, was gegen die strengen Regeln von Gilead verstößt. Andererseits wird sie partout nicht schwanger, weshalb die Ehefrau vermutet, dass der Commander zeugungsunfähig ist. Von einem starken Kinderwunsch getrieben, arrangiert sie deshalb eine Affäre mit dem Stalljungen Nick, was Desfred natürlich in Lebensgefahr bringt.
Im Laufe des Romans wird Desfred langsam in den Widerstand eingeführt und bekommt auch die korrupten Seiten der Elite Gileads zu Gesicht. Am Ende bleibt unsicher, ob die illegalen Machenschaften im Haushalt des Commanders auffliegen oder Desfred die Flucht aus der Unterdrückung gelingt.
Ein interessanter Epilog aus der Perspektive eines Historikers aus dem Jahr 2195 klärt darüber auf, dass der „Report der Magd“, auf Audiokasetten gespeichert, bei Ausgrabungen gefunden worden sei. Da beim Untergang Gileads alle offiziellen Staatsdokumente vernichtet worden seien, handele es sich bei dem Report um einen Text von historischer Bedeutung.
Margaret Atwood ist hier eine dystopische Zukunftsvision gelungen, die sich einreiht in Klassiker wie „1984“ oder „Schöne Neue Welt“. Das Thema um Reproduktionsrechte wird auch heute noch brandheiß diskutiert und angesichts des demographischen Wandels ist eine Abkühlung kaum abzusehen.
Kürzlich wurde der Roman auch verfilmt, und zwar in Form einer Serie, die aktuell bei amazon gestreamt werden kann. Aktuell gibt es bereits sechs Staffeln. Man kann also annehmen, dass man den Roman schneller gelesen hat, als die Serie durchgeschaut.
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