„Der chinesische Paravent“ von Nicola Kuhn

In „Der chinesische Paravent“ erzählt die Autorin Nicola Kuhn die Geschichte von elf Objekten, die in engem Verhältnis zur deutschen Kolonialgeschichte. Heute befinden sich die Artefakte größtenteils im Privatbesitz der Erben, die sich die Frage stellen, wie man mit der gewalttätigen Vergangenheit ihrer Vorfahren umgehen soll.

Neben dem titelgebenden chinesischen Paravent, der wahrscheinlich während des Boxeraufstands aus dem kaiserlichen Palast gestohlen wurde, gibt es auch ein Kapitel über eine Trommel aus Papua-Neuguinea, Pfeil und Bogen aus Deutsch-Südwestafrika oder ein Teeservice aus Qingdao.

Problematisch ist, dass eine moralische Beurteilung der verschiedenen Umgangsformen mit dem kolonialen Erbe nur zwischen den Zeilen stattfindet, diese aber nie explizit ausformuliert wird. Beispielsweise wird die Rückgabe der Benin-Bronzen nach Namibia mehrfach positiv erwähnt, obwohl man in diesem Fall auch von einem gescheiterten Restitutionsversuch sprechen kann. Denn hierbei wurden die in Deutschland öffentlich ausgestellten Museumstücke bei der Rückgabe in privates Eigentum überführt. Der heutige Besitzer gehört zur Herrscherschicht Namibias, die noch heute von der Ausbeutung der Bevölkerung lebt und deren Geschichte ebenfalls tief mit dem Kolonialismus und der Sklaverei verbunden ist. An anderer Stelle wird kritisiert, dass das Denkmal des Kolonialbeamten Hermann von Wissmann in Liezen nicht entfernt, sondern nur mit einer zusätzlichen Plakette versehen wurde, die den politischen Kontext kritisch erläutert. Bei einer Ausstellung in Hamburg 2017 hat man sich dagegen entschieden die Statue Hermann von Wissmann liegend zu präsentieren. Das alles sind unterschiedliche Formen der Erinnerungskultur.

Es hätte dem Buch gutgetan, wenn diesen theoretischen Überlegungen zum richtigen Umgang mit der Kolonialgeschichte ein eigenes Kapitel gewidmet worden wäre oder die Autorin in der Einleitung konkreter darauf eingegangen wäre.

Trotzdem handelt es sich um ein großartiges und sehr persönliches Buch zur Geschichte der deutschen Kolonien. Ein sehr brisantes, topaktuelles Thema. Definitiv lesenswert!

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