Der merkwürdige Titel „Den Duft hören“ (聽香) entstammt einer Kalligraphie, die Heinrich Geiger in einem klassisch chinesischen Garten in Suzhou entdeckt hat. Die Verwirrung, die er zunächst stiftet, soll den Leser dazu anregen neue Perspektiven jenseits des bekannten Dualismus von Natur und Kultur einzunehmen. Und so entfaltet sich ein ganzes Feuerwerk an guten Ideen und originellen Sichtweisen zu dem Thema „Natur, Naturbegriff und Umweltverhalten in China“.
Der daoistisch geprägte Begriff ziran (自然) wird gleich am Anfang erklärt. Im heutigen Mandarin wird er einfach mit „Natur“ übersetzt, aber die zwei Schriftzeichen haben auch die Bedeutung „einfach-so-sein“. Die menschliche Natur (xing 性) wird dagegen mit einem anderen Schriftzeichen bezeichnet. Kerngedanke des Buchs ist, dass der Mensch sich, im klassisch chinesischen Denken, der Natur nicht gegenüberstellt, sondern sich als eine Ausprägung der natürlichen Entwicklung begreift.
Und so geht die Reise von der Malerei, über die Poesie hin zur modernen Umweltverschmutzung. Das ist Fluch und Segen zugleich, weil innerhalb weniger Seiten oft Jahrtausende umspannt werden. Das macht den Text für Anfänger, die nicht zwischen Zhou- und Ming-Dynastie unterscheiden können, sehr schwer zu lesen.
Außerdem leidet das Buch stark darunter, dass eine Begriffsgeschichte geschrieben wurde, ohne die chinesischen Schriftzeichen abzubilden. So wird das Zeichen ran (然) auf Seite 56 mit seinen Radikalen Hund (rechts), Fleisch (links) und Feuer (unten) erklärt, ohne dass es abgedruckt wäre. Im Anhang findet man nur ein Bild eines Kunstwerks, auf dem sich jemand dieses Zeichen mit Bändern ins Gesicht geklebt hat. Das ist nicht gut zu lesen.
Zusammengefasst ist es ein kreatives, buntes, spannendes Buch, welches aber für den uneingeweihten Leser nur schwer verdaulich ist.


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